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Von Hoffnung und Enttäuschung

Aktualisiert: 12. Jan.


Um zu verstehen, warum ich so bin, wie ich bin, habe ich mich mit meiner Lebensgeschichte und der meiner Familie auseinandergesetzt. 1965 geboren, habe ich mir gewünscht, meine Eltern wären damals in den 68er Hippies gewesen. Sie hätten Woodstock gefeiert und mich als Kleinkind mit Love, Peace und Rock'n Roll grossgezogen. Das haben sie auch – auf ihre Art halt. Denn sie waren ja auch geprägt von ihren Eltern und dem Trauma, das unsere Grosseltern in einem oder gar zwei Weltkriegen erlebt und an die nächsten Generationen weitergegeben haben. So wuchs ich wie die meisten Mädchen meines Alters mit der Gewissheit auf, dass wie bei Aschenbrödel aus dem tschechischen Wintermärchen eines Tages ein Prinz kommen und mich zu seiner Prinzessin machen wird. Um meine Chancen zu erhöhen, habe ich begonnen, Frösche zu küssen. Leider ohne Erfolg – Frösche bleiben Frösche. Erst jetzt habe ich begriffen, dass ich nicht auf einen Prinzen warten muss. Denn Prinzen gibt es tatsächlich nur in Märchen. Die einzige Person, die für mein Leben verantwortlich ist, bin ich selbst. Also nehme ich es jetzt wieder in die Hand. Und kehre zurück zu meiner eigenen, selbstbestimmten Werten, zu Love, Peace and Happiness. Damit mir das in Zukunft gelingen wird, muss ich erstmal wieder lernen, mich selbst zu lieben. Frieden mit mir als Ganzes – mit meinen guten Seiten, Stärken, Schwächen und mit meinen Fehlern – zu schliessen. Da bin ich gerade dran. Für meine Fehler, um Verzeihung zu bitten, mich zu entschuldigen, für verletzende Worte, unterlassene Taten und leere Versprechungen.


Ein Grund dafür, dass ich mich in gewissen Phasen so verhalte, liegt sicher daran, dass ich seit Jahren unter depressiven Episoden leide. Die treten aber nur dann auf, wenn ich so sein will, wie ich meinte, sein zu müssen, um geliebt und wertgeschätzt zu werden. Wenn ich mich verbiege, um zu gefallen, um zu sein, wie andere es von mir erwarten, um erfolgreich zu sein. Dass das nicht funktionieren kann, wurde mir im vergangenen Jahr wieder bewusst. Richtig bewusst. Sich selbst zu sein, ist ein Geschenk, dem ich Sorge tragen will und werde. Doch dafür muss ich erst wissen, wer ich wirklich bin, was mich ausmacht, welches meine Superkraft ist und wo mein Potenzial liegt.



Um das herauszufinden führt kein Weg an der Vergangenheit vorbei. Beim graben in Erinnerungen ist mir eine DVD in die Hände gefallen, das Film-Musical Hair und schon die ersten Akkorde der Filmmusik haben mich wieder zurückversetzt in diese Zeit. Was für ein Gefühl, erhebend, freudig, friedlich und voller Hoffnung. Diese Verbundenheit durch die Musik, diese Geschichte von Freiheit und Befreiung. Und als damals im Kino Berger zum Song «Let the sunshine in» im Gleichschritt mit einer Hunderschaft anderer junger Soldaten in den Bauch des Flugzeugs marschierte, war ich überzeugt, dass wir nie mehr solche Bilder sehen werden. Dass der Vietnamkrieg der letzte Krieg ist, den es auf dieser Welt geben wird. Ich glaubte an die Versprechen zur Abrüstung, Weltfrieden und gleiche Chancen für alle. Ich war überzeugt davon, und Millionen andere Menschen mit mir. Und dann Jahr für Jahr erneute Ernüchterung. Wieder und wieder neue Kriege, Macht und Missbräuche, Umweltkatastrophen; Verschmutze Gewässer und Böden; keine Lösung für die radioaktiven Abfälle. Seit langem sitzen wir auf dieser tickenden Zeitbombe und machen nichts dagegen. Doch wen interessierts? Die Machthaber und Entscheidungsträger von internationalen Konzernen, Grossbanken und Unternehmen kaum. Da wird auf den Schultern der Kleinen, auf Biegen und Brechen gelogen und betrogen, ausgebeutet und Macht missbraucht, um Aktionäre und Investoren mit Boni zu überschütten. Auch wenn damit unsere Lebensgrundlage zerstört wird. Egal, die Hauptsache für sie reicht für diejenigen, die ohnehin schon mehr als genug haben. Ganz nach dem Motto «nach mir die Sintflut», achtlos und nur nach dem eigenen Nutzen trachtend. Und das in einer Zeit, in der sämtliche Medien Achtsamkeit predigen, in einer Zeit, in der immer mehr Menschen krank werden, weil sie unter dieser Situation, dem Druck und der Not leiden. Es sind nicht diejenigen, die Kriege anzetteln, die das Leid tragen müssen. 


Und apropos Sintflut. Wir brauchen keinen erneuten Auftrag von Gott mit detaillierter Anleitung zum Bau einer Arche. Dieses Wissen ist doch bei uns drin. In jedem von uns. Lasst uns endlich anfangen. Im Kleinen. Jeder für sich. Wenn ich eines begriffen habe, dann dies: Wir können nicht hoffen, dass «die da oben» etwas tun. Widerstand beginnt im Kleinen. Jeder kann was tun, seine Stimme erheben, Hand bieten und mitmachen. Friedensketten und Schmetterlingsbrücken kann man nur gemeinsam bauen. 

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